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Brief vom 10. Januar 1843 - Warschau

Liebe Mutter und Geschwister!
Euer wertes Schreiben vom 28. Oktober vorigen Jahres habe ich richtig erhalten und mich herzlich gefreut, dass Ihr Euch alle wohlauf befindet, und so viel Erfreuliches von Euch zu hören, ich bringe hiermit meine herzliche Gratulation und wünsche somit dem Carl zu seinem jungen Prinzen, als auch dem Louis zu seiner Ehe und Eurem Geschäft viel Glück und Segen. Euer Brief, den ich bereits den 6. November erhielt, traf mich gerade noch bei guter Gesundheit an, allein schon einige Tage später bekam ich Brustbeklemmung, Kreuzschmerzen und Mattigkeit in allen Gliedern, so dass ich das Bett einige Tage hüten musste, und da es nicht besser wurde, mich genötigt sah, den 12. ins Spital zu gehen, da wurde aber nicht lange gefackelt, ich bekam sogleich 34 Schröpfköpfe und ein spanisch Filegenpflaster auf den Rücken und in die linke Seite und am Arm ließ man mir Ader, und dadurch wurde einer Lungenentzündung vorgegriffen; ich war zwar anfangs sehr matt, allein meiner guten Natur verdankte ich, dass ich den 28. desselben Monats das Spital wieder verlassen konnte, und jetzt bereits wieder ganz gesund und wohlauf bin. Diese Krankheit war wahrscheinlich die Folge anstrengender Arbeit, denn bei uns werden meistens sehr starke Taue, zu Kriegsschiffbrücken (nicht sicher leserlich) und in die Salzsteinbergwerke gemacht. Galotaphski, den ich ehe ich noch Eure Briefe erhielt, zufällig traf, ist ungefähr 14 Tage später als ich nach Warschau gekommen und hat seit dieser Zeit, obgleich in 3 Werkstellen noch nicht volle 3 Wochen gearbeitet, seine Eltern haben ihm schon zweimal Geld geschickt und danach ist er schon in der grässlichsten Not gewesen und vieles von seinen Sachen verkaufen müssen. Seit den Feiertagen ist er wieder in Arbeit und hat eine gute Stelle, er entbietet viele Grüße an seine Eltern.
Ich habe mich jetzt wieder ziemlich herausgerissen, denn auf meiner Reise war ich ziemlich abgerissen, einen tüchtigen Pelz habe ich mir gekauft. Der Winter ist zwar sehr gelinde, denn nur ungefähr 6 Wochen vor Weihnachten hatten wir hier einige Tage 10 Grad Kälte. Nachdem ist es aber immer neblig und warm gewesen bis zum Neujahr, wo bei starken Stürmen viel Schnee fiel und seitdem Schlittenbahn ist, aber die Kalte wird sich wohl noch einfinden, denn im Lande Polen ist es viel kalter als in Deutschland. Solange ich hier Arbeit habe, werde ich hier bleiben, dann aber jedenfalls nach Riga und Petersburg, und wenn ich die Mittel dazu besitze, später auch nach Stockholm gehen, vielleicht ist im Norden von Europa ein Plätzchen für mich bestimmt. Der Carl schreibt mir, die Friederike ist krank gewesen, was mich sehr dauert. Aber schreibt mir doch, ob sie verheiratet ist oder nicht, ich habe ja noch nichts von Hochzeit gehört. Hat denn der Ollo Göbel nichts von sich hören lassen und ist denn der Heinerkes Albert noch in Altenburg? Wenn Ihr mir wieder schreibt, so schreibt mir doch recht viele Neuigkeiten. Das liebste aber ist mir, was ich zu hören wünsche, dass es Euch allen recht wohl ergeht. Diesen Brief, den Ihr von Altenburg aus mit der Post erhalten werdet, bringe ich drauf mit Gelegenheit, durch einen Stubengesellen von mir namens Hermann Kerst aus Gieba bei Altenburg, welcher hier in Warschau Meister werden will, nicht aber Daheim. Da sich oben genannter Hermann Kerst nur einige Wochen in seiner Heimat aufhalten will, um dann wieder nach Warschau zurückzukehren, so habe ich mich mit ihm besprochen, im Falle Ihr mir gleich wieder antworten wollt, Ihr den Brief an den Seilergesellen Hermann Kerst per Adr. Herrn Böttchermeister Müller auf der Tiefgasse in Altenburg adressieren könnt, wo er an selbigen gelangen wird und mir dieser ihn mit hierher bringen wird. Nur muss ich Euch bitten, dass Ihr ihn nicht versiegelt, denn außer mit der Post darf kein versiegelter Brief befördert werden. Abschließend erbitte - ich mir noch viele Grüße an alle Schwager und Schwägerinnen, Verwandte und gute Freunde und verbleibe in der Hoffnung, dass Ihr alle das neue Jahr gesund und wohl antreten und auch ebenso beschließen werdet.
Euer Euch liebender Sohn und Bruder
Franz Huth, derweilen Altgesell
der Seilerbruderschaft in Warschau