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Hoffental

Unmittelbar an die Kolonie Molotschna angrenzend, wo das Talufer eine 5 Werst lange west-süd-westliche Richtung nimmt, ist diese Kolonie am Ufer etwa 2 bis 3 Fuß über der Talfläche und 200 bis 300 Faden vom Flußbett entfernt mit einer Häuserreihe angelegt, deren Obst- und Gemüsegärten den Häusern gegenüber in sanfter Abdachung in die Talfläche hinabziehen.

 

Von 17 im Jahr 1804 aus Preußisch Polen eingewanderten Familien, worunter einige 1802 und 1803 aus Baden und Württemberg dorthin gewanderte Familien sich befanden, gegründet, ist die Kolonie im Jahre 1810 noch um zwei Familien Württemberger vermehrt worden.

Der selige Herr Kontenius wählte mit dem Schulzen Michael Fißke den Ansiedlungsplatz. Bei dem Abstecken der Bauplätze hatte Se. Exzellenz, die Klagen über Armut erhörend, Gelegenheit, tröstend zu Geduld und Fleiß zu ermahnen und, nachdem sein Blick einige Minuten auf der grünen Talfläche verweilt hatte, wandte er sich mit den Worten an die Versammlung: «Hier die Hoffnungen eures Fleißes!» Einstimmig wurde die Kolonie sofort Hoffental genannt. Eigene Mittel haben die Ansiedler bei der Einwanderung nicht gehabt, doch bekamen sie die üblichen Vorschüsse von der Regierung. Der Boden ist dem der Molotschna gleich, doch sind die Ansiedler eine Reihe von Jahren in der Landwirtschaft zurückgeblieben und haben sich erst in neuerer Zeit zu einer regeren Betriebsamkeit aufgeschwungen. Auch die Anpflanzung von Bäumen ist in der ersten Zeit sehr vernachlässigt worden, so daß Herr Kontenius bei der jährlichen Revision öfters seine besondere Unzufriedenheit zu erkennen gegeben hat, einmal mit den Worten: «Eure Hoffnungen sind einigermaßen  erfüllt, denn ich sehe, ihr seid gekleidet und genährt; allein die meinigen, die ich mit Vertrauen auf euch setzte in Hinsicht der Baumzucht, habt ihr nicht erfüllt und zeigt auch bis heute wenig Luft, solches zu tun.» Zwei Jahre nach der 1830 angeordneten Obst- und Maulbeerplantage in der Kolonie Molotschna folgte auch Hoffental der gleichen Aufforderung Sr. Exzellenz. Die Anpflanzung steht mit Ausnahme der Anteile einiger Wirte in gutem Wachstum.


Die 25 bis 35 Fuß tiefen Brunnen enthalten sehr gutes Wasser. Der Boden hat die gleichen Eigenschaften wie derjenige der Kolonie Molotschna. Die Löserdürre (Rindviehpest) hat in 6 Malen je 5 des Viehbestandes dahingerafft. Außer Masern und Scharlach bei Kindern sind kine Epidemien unter den Menschen vorgekommen.

Ein Wohnhaus aus gebrannten Ziegeln und fünf ebensolche im Bau begriffene beweisen, daß man anfängt, festere Häuser zu bauen. Das Schulhaus in der Mitte des Dorfes unterhalb der Obstgärten ist aus Luftziegeln im gewöhnlichen Stil erbaut. Das Getreidevorratsmagazin ist aus Holz gebaut. Ein Wirt hat 1846 eine Ziegelei errichtet. Derselbe hat auch die aus der Ansiedlungskasse erbaute Windmühle gekauft und umgebaut. Drei Schmiede, ein Wagner und ein Schuster sind hinlänglich mit lohender Arbeit beschäftigt.
Gegenwärtig besteht die Kolonie aus 20 Wirten und 9 Freisaßen mit 253 Einwohnern, 188 mehr als bei der Ansiedlung. Die Kolonie hat sich also in 44 Jahren vervierfacht; ein sprechender Beweis für den außerordentlich guten Gesundheitszustand.

Am 29. August 1822 starb hier Johann Jakob Schmidt im 116. Jahr seines Lebens.
1707 den 25. August als schwedischer Untertan in Stockholm geboren, in seinem 20. Lebensjahr in den Militärstand getreten, wurde er beim Ausbruch des schlesischen Erbfolgekrieges von den Oesterreichern bei einer Rekognoszierung als Gemeiner gefangen genommen, desertierte aber zu den Truppen Friedrichs des Großen und machte alle Feldzüge des siebenjährigen Krieges als Gemeiner unter Feldmarschall Ziethen mit. Zwei Stichwunden und drei Kugeln hatten ihn nur leicht beschädigt. Nach dem Friedensschluß in seinem 60. Lebensjahr verheiratete er sich auf dem Rittersitze des Herrn von Hahn unweit Berlin. V. Hahn erwirkte ihm für seine Verdienste zwei Hufen Landes als unbeschränktes Eigentum, welches er auch eine lange Reihe von Jahren besaß. Vor Ablauf des vorigen Jahrhunderts aber verkaufte er sein Land und ließ sich in Preußisch Polen nieder, wo er sich im Jahre 1804 in seinem 97 Lebensjahr noch gesund und rüstig mit seinen zwei Söhnen der Auswanderung nach Südrußland anschloß. Er verrichtete bis zu seinem 110. Jahr alle auf einer Wirtschaft vorkommenden schweren Arbeiten, wie Mähen, Garben auf- und abgabeln, selbst Dreschen ohne sich je über Erschöpfung zu beschweren und an Ausdauer oft seine Söhne beschämend.

Schulz Schmidt.