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Brief vom 24. Januar 15. Februar 1852 - Alt-Nassau

Vielgeliebte Geschwister!
Euern lieben Brief vom 27. Juli 1851 erhielt ich am 16. 128. August und habe mich sehr gefreut über die vielen Neuigkeiten mit denen Ihr mich bekanntmachtet, insbesondere aber dass Ihr alle wohlauf seid und (es) allen so ziemlich wohl geht, sowie auch über die beigelegten Schreiben von Kaffenberger und Carl Zerenner. Ich befinde mich mit meiner Emilie Gott sei Dank jetzt auch gesund und wohl, welches Glück ich jetzt sehr zu schützen weis. Über die Schwester Friedericke habe ich mich sehr verwundert, nämlich dass dieselbe schon zwei Männer gehabt hat und vielleicht jetzt schon den dritten hat, und über die Agnes, dass die noch gar keinen gefunden hat; wenn das Reisen in Russland durch Eisenbahnen so leicht wäre wie in Deutschland und anderen europäischen Ländern, so wünschte ich nichts sehnlicher, als die Agnes käme hierher zu mir. Schreibt mir doch, wann der Bernhard vom Militär frei ist, von dann an werde ich ihn jede Woche erwarten, und der Tag seiner Ankunft hier soll für mich und meine Familie einer der großen Freudentage meines Lebens sein. Dass er die Freude, mich zu besuchen machen wird, traue ich ihm fest zu; sollte er es aber unterlassen, so würde die Enttäuschung sehr bitter sein; daher redet ihm nur alle zu, dass er seinen Vorsatz nicht lange aufschiebt, sondern so bald als möglich ausführt! Das Rezept zum Fischsieden hat sich als probat befunden, und oft haben wir Euer freundlich gedacht, wenn wir uns an gesottenen Fischen labten und jedes Mal Euch als unsere Gäste gewünscht. Da ich gerade bei Rezepten verweile und die Fastnacht herannaht, so bitte ich Euch noch um ein Rezept zum Krapfen backen; dass dieselben in Butter oder Fett gekocht werden, weiß ich, aber die übrige Zubereitung ist uns unbekannt. Ich habe mich sehr gewundert dass so viele mir bekannte Personen in der Heimat nacheinander weggestorben sind, andere mir bekannten Personen werden nacheinander wegsterben, und eine andere Generation heranwachsen, und sollte mir einmal das Glück zuteilt werden, die Heimat wiederzusehen, so werde ich niemand mehr kennen. Auch hier war diesen Winter alles krank, die Masern grassierte hier so, dass alle Kinder davon befallen waren und viele starben. In meiner Familie hat sie jedoch jetzt keines gehabt, aber im Sommer waren sie schon in einigen Häusern hier, und auch meine Frau und alle drei Kinder bekamen sie, und obgleich sie sehr bösartig waren, ist mir doch niemand gestorben. Was machen denn meine alten Bekannten, ist Carl Lohmann schon wieder verheiratet? Was macht Albert Heinerke, Leonhard Müller und wie geht es bei Gerhards, lebt er gut mit seiner Frau? Ich hoffte immer, einmal einige Zeilen von ihm zu erhalten, wenn der Bernhard nur erst möchte hierher kommen, der könnte mir über so vieles Auskunft geben. Sehr gefreut hat es mich, dass Euch Kaffenberger besucht hat, derselbe hat sich, als ich noch in Tokmak wohnte, lange bei mir aufgehalten, es ist ein alter ehrlicher und treuer Mensch, ein Glücksritter, der sein Ziel nicht finden kann. Wenn er jetzt hier wäre, könnte er mir in meiner großen Schule von 124 Kindern rechte Hilfe leisten. Ich habe wieder mit meiner Gemeinde auf ein Jahr Kontrakt gemacht und 65 Rubel nebst ein schönes Stück Kraut und Kartoffelland Zulage erhalten. Wie mir Carl Zerenner schreibt, hat er auch wieder Aussicht, nach Russland zu kommen. Der Schmetterling fliegt nach Russland, holt sich in einigen Jahren eine Portion goldene Gurken, wovon er dann in Deutschland wieder lange zu zehren hat, der hat ein gutes Los getroffen. Wo ist denn der Robert und was macht er? Von dem erwähnt ihr so wenig, dass ich bald glauben muss, dass er nicht sehr mit seinen Geschwistern harmoniert, auch mir hat er noch keinen Buchstaben zukommen lassen, ist vielleicht sein Betragen nicht anständig? Sollte dies der Fall sein, so wünschte ich ihn unter meine Zuchtrute, trotz seiner Größe und Alters.
Vorigen Sommer war der Hof-General-Superintendent Dr. und Ritter von Flittner aus Petersburg hier und hat Kirchen und Schulvisitation gehalten, alles ging ganz gut ab (? - schlecht leserlich). In Zeitung habe ich gelesen, dass dieser Winter in Deutschland so sehr hart ist und besonders viel Schnee gefallen ist, wir hatten bis Mitte Januar wenig Frost (? - schlecht leserlich) und Schnee; als drauf fing es an zu schneien und wurde tüchtig kalt, wir hatten bis zu 18 bis 20 Grad Kalte. Dann ging der Schnee wieder weg, und jetzt haben wir Frühjahrswetter, nach Alt-Russland zu, d.h. nach Charkow und Moskau hin, soll fürchterlich viel Schnee und große Kälte sein.
So ganz abgeschieden leben wir hier nicht, ich hatte und lese den „Lithauer“, ein Rigaisches Zeitungsblatt, welches uns von allem, was in der großen Welt geschieht, in Kenntnis setzt, viele lesen hier auch den „Dorfbarbier“ (aus Grimma in Sachsen), und manches andere Blatt kommt einem zuweilen in die Hände, so z.B. bekam ich vor zwei Jahren die „Leipziger Zeitung“ zu Händen, aus welcher ich interessante Anzeigen schnitt, die ich im vorigen Briefe vergaß, aber Euch jetzt zuschicke. Auch schicke ich hierbei ein Briefchen an Kaffenberger und einige Zeilen an Ollo Göbel, sei so gut lieber Carl und befördere dieselben, nachdem Du ein Couvert wirst darüber gemacht haben, und schreib mir recht bald recht viel neues Erfreuliches.
Mit dem herzlichen Wunsche dass Euch allesamt dieser Brief recht gesund und wohl antreffen, und Ihr es lange bleiben möget, schließe ich hiermit und verbleibe unter vielen Grüßen an Euch alle von mir und meiner Familie Euer Euch innig liebender Bruder
F. Huth.